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Interview mit Bildungsbotschater Uwe Hück

Vom Verlierer zur Vorbild

Einer von unten ganz oben ... Die Bildungsbiografie von Uwe Hück liest sich wie der amerikanische Tellerwäschertraum. Der einstige Sonderschüler ist heute stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG. Auf der Messe didacta wurde Hück zum Bildungsbotschafter ernannt. Weil seine Bildungskarriere von Resilienz zeugt, aber auch weil er Vorbild ist und bewegen will.

Herr Hück, Sie sind vom Didacta Verband zum Bildungsbotschafter ernannt worden: Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Uwe Hück: Die Auszeichnung motiviert mich weiter, nicht im Sessel zu sitzen und auszuruhen. Ich werde zum Beispiel fordern, dass alle Schulen wieder Turnhallen bekommen. Lieber Turnhallen bauen und dafür keine Panzer, ist meine Botschaft. Ich trete auch selber wieder in den Ring, ich bin ja zweifacher Europameister im Thaiboxen und werde nun als Charity-Aktion gegen den Schwergewichtler Luan Krasniqi kämpfen. 'Blaue Flecke für soziale Zwecke' heißt das Motto. Der komplette Erlös aus dem Kampf wird an die SOS-Kinderdörfer und das Bildungszentrum in Pforzheim gespendet. Zudem will ich eine Stiftung und ein Bildungszentrum gründen, weil ich es richtig finde, nicht immer nur auf den Staat zu setzen, nicht immer nur zu schimpfen, sondern selbst anzupacken. Die Gesellschaft muss mithelfen, das Ehrenamt muss wieder mehr in den Mittelpunkt rücken, denn das Ehrenamt ist die Seele eines Landes.

Was ist Ihre Kritik am jetzigen Bildungssystem?

Hück: Katastrophal ist die Infrastruktur. Schauen Sie die Sanitärbereiche an. Zudem werden die Lehrer nicht richtig bezahlt, die sind nicht mehr motiviert. Die Hauptschulen werden ab­­geschrieben. Jetzt haben wir ein bisschen Gesamtschule, ein bisschen Hauptschule, ein bisschen Sonderschule – aber dass da Kinder sind, die beschimpft werden oder nicht lesen, nicht schreiben können, liegt daran, dass das Bildungssystem, das wir haben, so nebenbei gemacht wird. Wir haben 7,5 Millionen funktionale Analphabeten, in einem Land, in dem seit über 200 Jahren Schulpflicht herrscht – da ist doch etwas schiefgelaufen. Das Bildungssystem muss daher wieder in den Mittelpunkt der Ge­­sellschaft rücken. Wir sind ja nicht Exportweltmeister geworden, weil wir die größten Kartoffeln, sondern weil wir die ge­scheitesten Köpfe haben. Darauf müssen wir uns be­­sinnen und unser Geld in die Bildung in­vestieren.

Sie selbst haben ja eine ungewöhnliche Bildungsbiografie: Einst waren Sie ein sogenannter Bildungsverlierer ...

Hück: Ich war Sonderschüler, Hauptschüler, Kinderheimkind. Viele haben gesagt, das kann nur ein Verlierer sein. Ich habe das nicht akzeptiert, ich konnte doch nichts dafür, dass ich keine Eltern hatte und dass ich im Kinderheim gelandet bin. Aber ich kann etwas dafür, wenn ich mein Leben wegschmeiße. Also habe ich mein Leben angepackt und gesagt 'Ich mache das Beste daraus' und hab zum Herrgott gesagt: 'Wenn Du mich groß und stark machst, dann kümmere ich mich später um den Mist.' Und jetzt kümmere ich mich um den Mist, weil der Herrgott mich groß und stark gemacht hat, und Versprechen muss man einhalten. Ich bin Europameister im Thaiboxen geworden, aber nicht, weil ich gut war, und nicht, weil ich die besten Techniken hatte, sondern weil ich gewinnen wollte. Genauso wollte ich lesen, ich wollte Bildung, ich wollte gescheit sein. Integration hat nichts mit Spätzle- und Soßeessen zu tun, sondern mit Bildung. Das will ich den Jugendlichen klarmachen: 'Ich hatte es schwer, ich hab’s dennoch geschafft und ihr schafft es auch!' Ich will ihnen Mut machen, sozusagen ihr Licht in der Dunkelheit sein.

Sie unterrichten Jugendliche im Thaiboxen: Was lernen sie beim Boxen fürs Leben?

Hück: Sie lernen: Du kannst nicht weglaufen. Wenn du im Ring bist, musst du die zwei Minuten durchstehen. Außerdem: Wenn du schlagkräftige Argumente hast, kannst du gewinnen. Was will ich damit sagen? Du kannst auch mal verlieren, aber du musst alles gegeben haben. Dann ist auch die Niederlage eine hohe Auszeichnung. Verlierst du aber, weil du faul warst, oder gewinnst du, weil du unfair warst – dann ist das Mist. Gewinne, weil du besser warst, verliere, weil der andere besser war. Das alles mit Respekt vor der Leistung des anderen. Das will ich vermitteln, denn so ist auch das Leben.

Es gibt gezielt Boxtrainings für Führungskräfte, Managerkurse, die mit der Metapher des Boxens arbeiten. Ist das eine gute Idee?

Hück: Das ist eine sehr gute Idee. Manager sollten in den Ring gehen, nicht zuletzt, weil sie dann mit ihrer Aggression umgehen müssen. Manchmal ist ja jeder im Stress, weil er buddeln muss, aber er muss sich auch entschuldigen können. Beim Boxen entschuldigt man sich, wenn man unfair gewesen ist, wenn man einen Tiefschlag gemacht hat. Und das können und müssen Manager lernen: Wenn sie jemanden fälschlich zusammengeschissen haben, hingehen und sagen 'Entschuldigung, das war nicht fair von mir, das war unanständig'.

Sie sind stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG. Können Sie auch für andere Manager ein Vorbild sein?

Hück: Selbstverständlich. Soziale Kompetenz ist wichtig, also nicht den Profit in den Mittelpunkt zu stellen, sondern den Menschen. Profit ist das Ergebnis, aber vorher müssen wir vernünftig und behutsam mit den Menschen umgehen, denn die sind ja unser Kapital, die Arbeitskraft, die wir haben. Verantwortung heißt, auch mal einen Mitarbeiter nach Hause zu schicken, wenn er müde ist, und ihn ausruhen zu lassen. Ein freundschaftlicher Umgang ist viel besser als militärisch von oben herab runter zu diskutieren. Ich habe vor jedem Res­pekt: vor denen, die in der Küche arbeiten, ebenso vor denen, die den Hof fegen, denn wenn sie es nicht machen würden, müsste ich es machen. Wir brauchen unterschiedliche Talente. Die Hand hat auch unterschiedliche Finger, die unterschiedliches leisten können. Wenn alle Finger gleich wären, könntest du die Hand wegschmeißen.

Sie sind zudem Betriebsratsvorsitzender bei Porsche, warum – glauben Sie – sind Sie in diese Position gewählt worden?

Hück: Die Belegschaft hat gesagt 'Der kann besser schwätze als schaffe'. Spaß beiseite – ich will mich um die Menschen kümmern. Und das haben die Arbeitnehmer gespürt: dass der Uwe das nicht nur macht, weil er gewählt worden ist, sondern weil er begeistert ist. Wir brauchen Produktivität und Flexibilität, und wir müssen Geld verdienen, denn nur wenn Geld da ist, kann das Soziale finanziert werden. Dann muss das Soziale aber auch finanziert werden, und nicht Geld in eine fünfte Villa investiert werden.

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