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Dokumentarfilm 'Work hard – play hard'

Unheimlich viel Spaß

Wann und wo kommen Manager schon mal ins Nachdenken über die Strukturen, in denen sie arbeiten? Das Kino könnte dieser Tage der rechte Ort dafür sein. In ihrem vielfach ausgezeichneten Film 'Work hard – play hard' hinterfragt Regisseurin Carmen Losmann auf eindringliche Art Glaubenssätze der modernen Arbeitswelt.

'Krass, der Film' – Als sich das Publikum am 28. März 2012 nach der NRW-Premiere von Carmen Losmanns Film 'Work hard – play hard' aus dem Vorführsaal des Kölner Odeon Kinos schiebt, ist klar, dass die Regisseurin zufrieden mit sich sein kann. Vielen Besuchern geht der Stoff sichtbar und hörbar nahe. Dabei hat die junge Filmemacherin, die das Projekt noch im Rahmen ihres Filmstudiums in Angriff genommen hat, weder grausige Kriegsszenen aus Nahost noch schockierende Bilder aus Hühnerfabriken gefilmt. Sie hat die Zuschauer in ihrem 90-Minüter bloß mitgenommen auf eine Reise durch die Arbeitsstätten der heutigen Office Worker.

Was daran schlimm ist? Auf den ersten Blick gar nichts. Bild an Bild hat Losmann Impressionen der modernen Arbeitswelt gereiht, hier und da unterlegt durch sphärische Sounds. Ohne Kommentar. Szenen aus Büros und Meetingräumen wechseln sich ab mit Assessment-Center-Situationen und Mitschnitten eines Outdoortrainings. Zwischendurch lässt Losmann die Protagonisten der heutigen Arbeitswelt immer wieder in die Kamera sprechen: Unternehmensberater, Human-Resources-Manager, Change Agents. Der Zuschauer erfährt zwar, welcher Firma sie angehören, aber nie ihre Namen.

Vieles von dem, was sie sagen, klingt zunächst gut – und in den Ohren von Zuschauern, die die Business-Welt kennen, auch völlig normal. Da ist die Rede davon, dass man den Mitarbeitern heutzutage mehr bieten muss als bloß ein gutes Gehalt, dass Arbeit Flow-Gefühle bringen soll, dass Mitarbeiter sich mehr Freiheit und Flexibilität wünschen und dass es darauf ankommt, eine Umgebung zu schaffen, in der sich Arbeit nicht mehr wie Arbeit anfühlt. Die Architektur soll das spiegeln. Breiten Raum in dem Film nehmen nicht zuletzt Aufnahmen aus der neuen Firmenzentrale von Unilever in Hamburg ein: offene Emporen, viel Licht, viel Glas, dezente Farbgebung. 'Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, die einem Wohnraum gleicht', sagt ein Architekt noch in der Planungsphase. An Meeting Points, die an Cafés erinnern, soll 'Leben generiert werden', so ein Arbeitsplatzgestalter. Auch in der Unternehmensberatung Accenture schwärmen die Manager von 'nonterritorialen Arbeitsplatzkonzepten', dem 'Workplace 2.0', einem fluiden Arbeitsumfeld, in dem kein Mitarbeiter mehr seinen festen Platz hat, sondern zwischen sieben Arbeitsplatztypen wählen kann – die er vorher via Web bucht. Das alles, so heißt es, soll Menschen zusammenbringen, die informelle Kommunikation fördern. Und vor allem: viel Spaß machen. 'Viel Spaß' flötet denn auch eine Rezeptionistin dem Firmenbesucher hinterher. 'Wir hatten eine Menge Spaß', konstatiert der Outdoortrainer in der Gruppenreflexion. Es klingt wie ein Mantra.

Der Film sät Zweifel an der schönen neuen Arbeitswelt

Eine schöne neue Arbeitswelt, in der der Mensch endlich wirklich Mensch sein darf? Losmann sät Zweifel. Viele der Aufnahmen, die sie in den Büros eingefangen hat, strafen die Beschwörungen von Freude und Spaß Lügen, wirken kalt und aseptisch. Die Menschen in diesen Büros strahlen vor allem Anspannung aus, ein verbissenes Bemühen, den Ansprüchen zu genügen. Und in den Interviewsequenzen klingen sie dann immer wieder durch, diese Ansprüche. Wie ein monotoner Soundtrack legt sich die unterkühlte Business-Sprache von Marktdruck, Challenges und Change-Zwängen über den Film. Weil die Firmen dem unterliegen, müssen auch die Mitarbeiter sich ständig verändern, optimieren, mehr denn je aus sich herausholen.

Für die interviewten HR-Manager und Berater sind die Mitarbeiter die wertvollste Ressource – ja. Aber, und das schimmert bei allen Beschwörungen von Arbeitsfreude jenseits von Stechuhren und kontrollierenden Chefs durch: Ihr Wert bemisst sich aus ihrem Wert für die Firma. 'Wir müssen uns um die Mitarbeiter kümmern, also um die, die wir haben wollen. Um die richtigen Mitarbeiter', sagt einer. Die richtigen, das sind die, die bereit sind, alles für die Firma zu geben (es fühlt sich ja nicht an wie Arbeit ...) und sich bereitwillig zu dem formen zu lassen, was die Arbeitswelt braucht. 'Wir müssen die kulturelle Veränderung in die DNA jedes einzelnen Mitarbeiters verpflanzen', so eine Change-Managerin.  Im Change Agent Meeting be-spricht sie mit ihren Mitstreitern die Notwendigkeit, Leidensdruck zu erzeugen, eine 'Burning-Plattform' zu schaffen, um die Mitarbeiter in den Change-Modus zu bringen.

Wie viel sind wir bereit, für die Arbeit zu geben?

Vor allem drückt der Film aus, dass die Mitarbeiter ständig auf dem Prüfstand stehen. Bis auf den Grund ihrer Psyche werden Jung-Manager im Assessment Center seziert. Im Großraumbüro der Post zeigen Bildschirme mit farbigen Balken beständig die Entwicklung der Kundenkontakte an. Wie Versuchstiere im Käfig werden die Teilnehmer des Outdoor-Trainings über Monitore beobachtet und streng begutachtet, während sie sich mit verbundenen Augen durch ein unterirdisches Labyrinth kämpfen.

Doch nicht nur die Berater und HR-Manager mit ihrer kalt-funktionalen Business-Sprache hören sich wie gleichgeschaltet an, auch die 'Human Ressources' selbst. Die Teilnehmer des Outdoor-Trainings beten Sätze herunter wie aus dem Trainerlehrbuch. Der Jung-Manager im Assessment Center redet wie aus dem Management-Manual. Ist den Protagonisten immer klar, was sie da sagen? Wissen sie selbst, was genau das eigentlich für eine Arbeitswelt ist, die sie da in griffige Schlagworte packen? Der Zuschauer zweifelt. Überhaupt entlässt der Film sein Publikum mit einem Haufen Fragen. 'Welches System, welche Ideologie womöglich, steckt hinter all dem?', sei so eine Frage, die sie an ihr Publikum weiterreichen will, sagt Losmann bei der Kölner Premiere. Und: 'Wie viel sind wir bereit, für die Arbeit zu geben?' Konkreter könnte man vielleicht fragen: Wie viel sind wir bereit für Wachstumsziele zu tun, die womöglich nicht so alternativlos sind, wie es scheint, bloß weil alle es sagen?

Dass Unternehmen schon immer so viel wie möglich aus ihren Mitarbeitern herausholen wollten, ist nichts Neues. Was aus dem Subtext des Films spricht, ist aber der Versuch der völligen Vereinnahmung, das verstärkte Anziehen der Schraube, die Erhöhung des Drucks – und das verpackt in Versprechen von Selbstbestimmung, persönlicher Entwicklung und Spaß: Play hard gleich Work hard.

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