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Buchrezension: 'Psychoblasen in der Wirtschaft'

Viel Lärm um etwas

Der Buchtitel sticht ins Auge: 'Psychoblasen in der Wirtschaft' hat Sebastian Lesch sein Erstlingswerk genannt. Im Untertitel verspricht der Personaler und Psychologe 'Irrungen und Wirrungen im Management' aufzudecken. Ob das Buch hält, was der Titel verspricht? managerSeminare hat nachgelesen.

Oha, das Inhaltsverzeichnis hat es in sich: Knackige Heads wie 'Die Scheinehe Commitment – Durch dick und dünn?' oder 'Die Droge Coaching – Speed für Führungskräfte?' zerren ins Buch hinein. Aufgeschlagen liegt 'Die Akte Motivation – Zwielicht und Halbwelten'. Am Anfang der Akte eine Nachricht, zusammengefasst: Fast alle Führungskräfte sind davon überzeugt, dass Lob den Unternehmenserfolg steigert (Umfrage der Wirtschaftswoche aus dem Jahr 2008), gleichzeitig fühlt sich der Großteil der Mitarbeiter von ihren Chefs nicht ausreichend anerkannt (wiederkehrendes Ergebnis des jährlich erhobenen Gallup-Engagement-Index). Autor Sebastian Lesch bilanziert: 'Die eine Seite weiß zwar um die Bedeutung des Lobes, lobt aber trotzdem nicht. Die andere Seite macht ihre Eigenmotivation von der Fremdmotivation abhängig.' Prekär. Wie kann das sein?

Schuld sind nach Lesch vor allem die 'Theorien im Zwielicht', die allerlei motivationale Missverständnisse produzieren. Allen voran die Urtheorie der modernen Motivationslehre, die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow. Die strukturiert die Motivationsstruktur hierarchisch: die physiologischen Grundbedürfnisse wie Hunger und Schlaf ganz unten, oben die Selbstverwirklichung, dazwischen die Bedürfnisse nach Sicherheit und Zugehörigkeit und nach Anerkennung. Die nächsthöhere Ebene wird erst dann relevant, wenn die darunter liegende bis zu einem gewissen Grad befriedigt ist. Und genau da liegt laut Lesch der Hase im Pfeffer. 'Das größte Problem stellt aber die starre Stufenabfolge der Bedürfnishierarchie dar', schreibt der Psychologe. Allein in der Diskussion mit Führungskräften und Mitarbeitern werde deutlich, dass einigen die Karriere wichtiger ist als soziale Bindungen.

Kritik läuft ins Leere

Das stimmt, keine Frage, trotzdem läuft Leschs Kritik ins Leere. Denn niemand behauptet ernsthaft, nicht einmal Maslow selbst tat das, dass seine Stufen in Stein gemeißelt sind. Die Maslow’sche Bedürfnispyramide ist ein Modell, das Wirklichkeit idealtypisch abbildet, reduziert, damit ein Stück weit berechenbarer macht. Sie aufgrund von abweichenden Beobachtungen in der Umwelt für ungültig zu erklären, ist unsinnig. Recht gewagt ist die Behauptung, dass Maslows Motivationstheorie 'in Unternehmen im Bereich der Organisationsentwicklung und im Führungskräftetraining Anwendung findet'. Vielleicht als Verständnistheorie, sicher aber nicht als handlungsleitendes Konzept. Das sind in aller Regel weit komplexere Modelle. Das System, mit dem Lesch Maslows Motivationstheorie angeht, zieht sich durchs Buch. Coaching, Zeitmanagement, Teamarbeit – Theorien, Modelle, Instrumente werden kurz vorgestellt, ihre Bedeutung hochgespielt, bekannte und zumeist viel diskutierte Defizite oder Grenzen aufgezeigt und dann unterstellt, dass die Anwender von diesen nichts wissen oder sie ignorieren. Immer wieder der gleiche Bauerntrick.

Der konstruktive Teil ist gekonnt
 
Den das Buch eigentlich gar nicht nötig hätte. Denn die konstruktiven Überlegungen, die Lesch zu den einzelnen Themenkomplexen anstellt, sind gut durchdacht und schließen am aktuellen Stand der Forschung an. Sehr einleuchtend ist etwa seine Argumentation, warum Teams Fluktuation brauchen, damit die Leistungs- und Innovationskraft nicht abnimmt. Auch seine Ausführungen zu den Möglichkeiten der Motivationssteigerung, die am Selbstwirksamkeitskonzept und der Arbeit selbst und nicht an externen Faktoren ansetzen, überzeugen. Letztlich drängt sich der Verdacht auf: Die 'Psychoblasen in der Wirtschaft' wurden herbeigeschrieben, um gutes PE- und Führungs-Know-how besser verkaufen zu können.

Eine konkrete Erklärung für die anfangs erwähnte vermeintliche Paradoxie – obwohl Führungkräfte um die Bedeutung von Lob wissen, loben sie offenbar viel zu wenig – bleibt das Buch übrigens schuldig. Dabei liegt die Antwort auf der Hand, nachzulesen bei Abraham Maslow: Der Wunsch nach Anerkennung gehört zu den Wachstumsbedürfnissen, kann demnach niemals wirklich befriedigt werden. Will sagen, selbst wenn der Chef regelmäßig Lob zollt, hat der Mitarbeiter trotzdem das Gefühl, dass es noch ein bisschen mehr sein dürfte.

Sebastian Lesch: Psychoblasen in der Wirtschaft. Irrungen und Wirrungen im Management, Gabler, Wiesbaden 2011, 29,95 Euro

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