Schlauer lernen

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Die Zukunft ist wild

Henning Beck erklärt, warum der beste Plan für die Zukunft der ist, der am schnellsten angepasst werden kann.

Wie stellen Sie sich ein natürliches Gleichgewicht vor? Sie wissen schon: der Zustand, in dem wir in Einklang mit der Natur sind, ausbalanciert und nachhaltig. Wenn Sie so ticken wie die meisten, haben Sie ein Bild von einer ausgeglichenen Waage im Kopf. Beide Waagschalen sind im Gleichgewicht – und genau so sollten wir uns auch verhalten, wenn wir nicht auf Kosten unserer Zukunft leben wollen. Wann immer man das Gleichgewicht stört, kommt das System ins Kippen. Das Problem ist nur: Ein solches Gleichgewicht gibt es nicht in der Natur. Denn natürliche Prozesse sind komplex und nicht statisch. Ausbalancierte Systeme findet man vielleicht im Physikunterricht. Das war’s.

Konkretes Beispiel: Stellen Sie sich eine Kaninchenpopulation vor, die sich alle vier Monate verdoppelt. Nun könnte man meinen, dass sich die Kaninchen so weit vermehren, bis sie ans Limit der natürlichen Ressourcen stoßen. Irgendwann wachsen die Gräser und Zweige nicht schnell genug nach, und obendrein haben Raubtiere umso leichteres Spiel, je mehr Kaninchen es gibt. Kurzum: Die Kaninchenpopulation sollte irgendwann eine stabile Größe erreichen. Doch das passiert nicht! Die Population schwankt auch nicht periodisch auf und ab. Vielmehr passiert etwas Sonderbares: Bei genügend hohen Wachstumsraten wird die Veränderung der Kaninchenpopulation chaotisch und nicht vorhersagbar. Selbst in mathematischen Modellen (die komplett frei von äußeren Zufällen sind) kippt die Wachstumsrate irgendwann ins Chaos. Stabile Populationen findet man vielleicht bei sehr vermehrungslahmen Tieren wie Grönlandwalen. Ansonsten schlägt das Nicht-Vorhersehbare irgendwann zu.

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Das Problem ist, dass wir uns dieses Chaos nicht vorstellen können. Während der Corona-Pandemie hatten wir immerhin versucht, uns exponentielles Wachstum auszumalen (Sie erinnern sich: R-Wert unter 1 drücken, „flatten the Curve“). Das ist schon knifflig genug. Aber ein chaotisches Wachstum ist schlechterdings unmöglich, rational zu antizipieren. Denn komplexe Systeme reagieren unvorhersehbar. Ein Auto ist zum Beispiel ein kompliziertes System, aber es ist nicht komplex. Wenn Sie nach rechts lenken, fährt es nach rechts. Wäre das Auto ein komplexes System, würde es beim Nach-links-Lenken mal nach rechts fahren, mal beschleunigen oder bremsen. Wie soll man so ein System kontrollieren?

Das Erstaunliche ist, dass Menschen Komplexität zwar nicht begreifen, aber den Umgang damit dennoch gut lernen können. Denn die allermeisten Dinge sind komplex: Gesellschaften, Gruppen von Menschen, Unternehmen, Märkte. In solchen Systemen sind diejenigen am erfolgreichsten, die gelernt haben, nicht an einem statischen Plan festzuhalten, sondern ihr Verhalten zu justieren, je nachdem, wie sich die Welt ändert. Das gelingt nur, indem man ausprobiert.

So zeigt sich: Statt Menschen die erfolgreichsten Managementprinzipien von komplexen Systemen zu erklären, sind diejenigen besser, die in Fallstudien oder Modellen ausprobieren dürfen und dabei selbst erkennen, welche Prinzipien nützlich sind und welche nicht. Denn es geht nicht darum, die besten Prinzipien auswendig zu lernen. Wenn die Zukunft wirklich so wild und unvorhersehbar ist, kann man schließlich gar nicht wissen, was übermorgen nötig ist. Viel wichtiger ist es, zu lernen, sein Verhalten uneitel und schnell anpassen zu können. Der beste Plan für die Zukunft ist der, der am schnellsten angepasst werden kann.

Henning Beck
Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „12 Gesetze der Dummheit“. Kontakt: ­henning-beck.com

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