HR_perspective

Expertenumfrage

Prognosen zur Zukunft der Personalarbeit

Die Krise ist vorbei, doch die Herausforderungen im Bereich Personalmanagement nehmen nicht ab. Was kommt im kommenden Jahr auf die Personaler zu? Welche Themen sollten sie auf ihre Prioritätenliste setzen? manage_HR hat sich unter HR-Experten umgehört.

Joachim Sauer, Präsident des Bundesverbandes der Personalmanager e.V. (BPM): 'Es klingt simpel und ist doch die größte Herausforderung der kommenden Jahre: Qualifizierte und motivierte Mitarbeiter zu finden und langfristig ans Unternehmen zu binden. Sie sind der größte Erfolgsfaktor einer Firma. Der Mittelstand steht hier, bedingt durch den demografischen Wandel und die Globalisierung, vor einem großen Problem. Denn Fachkräfte in ausreichender Zahl und mit der benötigten Qualifizierung zu rekrutieren und im Unternehmen zu halten, wird immer schwerer. Essenzielle Trendthemen im Personalmanagement wie Employer Branding, Talentmanagement, Motivation und Engagement sind daher gleichsam für den Mittelstand und Großunternehmen bedeutsam.

Großunternehmen stehen in dieser Situation dem Mittelstand als direkter Konkurrent bei der Gewinnung von Fachkräften gegenüber. Der Unterschied besteht im Gestaltungsspielraum, der dem Personalmanagement bei der Umsetzung zur Verfügung steht. Während Großunternehmen zum Beispiel auf kostspielige und zeitaufwendige IT-Tools in Recruitment- und Personalentwicklungsprozessen setzen, muss der Mittelstand die Routineprozesse seiner Personalarbeit mit vorhandenen Ressourcen optimieren und sich so die nötigen Kapazitäten und Freiräume schaffen.

Und der Mittelstand muss erfinderisch sein sowie neue kreative Wege finden, um sich darzustellen. Moderne Kommunikationskanäle im Internet wie Xing, StudiVZ und Facebook bieten sehr effektive Profilierungsmöglichkeiten. In diesen stark genutzten Socialmedia-Netzwerken können die mittelständischen Unternehmen für ihr positives Image sorgen und das Interesse potenzieller Mitarbeiter wecken.

Kommuniziert und besonders hervorgehoben werden müssen vornehmlich die konkreten Vorzüge mittelständischer Unternehmen. Das sind z.B. flache Hierarchien, Beteiligung an Entscheidungen und der persönliche Gestaltungsfreiraum. Auch im Hinblick auf Weiterentwicklung und Bindung der Mitarbeiter können mittelständische Unternehmen durch Maßnahmen mit geringem finanziellen Aufwand viel gewinnen. Regelmäßige Mitarbeitergespräche, Management-by-walking-around und effektive Teamrunden sind nur einige Beispiele, bei denen Personalverantwortliche ihren Führungskräften beratend und führend zur Seite stehen müssen.

Darüber hinaus können weitere Ansätze die Effektivität und Effizienz im Personalmanagement stärken. Eine Empfehlung wäre, sich in unternehmensübergreifenden Netzwerken auszutauschen sowie Kooperationen mit anderen Unternehmen und Hochschulen einzugehen, um die Gewinnung, Entwicklung und Bindung von Fachkräften für den Mittelstand in den nächsten fünf  Jahren zu stärken.'

Paul Kötter, Director & Partner bei der Kienbaum Management Consultants GmbH, Berlin: ' Bei aller Vorsicht bezüglich Prognosen lassen sich zentrale Trends identifizieren, die die Personalarbeit nachhaltig verändern werden:
- Der wichtigste Faktor ist die demografische Entwicklung. Der daraus resultierende Fachkräftemangel wird zuerst bei der Erstausbildung massiv spürbar sein. Alternde Belegschaften sind heute bereits Realität.
- Der Strukturwandel zu einer wissensbasierten Dienstleistungsökonomie führt zu einem weiteren Anstieg des Qualifikationsniveaus.
- Das Kräfteverhältnis auf den Arbeitsmärkten wird sich zugunsten der Arbeitnehmer verändern. Die Nachwuchskräfte der Generation Y hat deutlich veränderte Erwartungen an Arbeitgeber und verfügt über ein hohes Selbstbewusstsein.
Die Personalarbeit wird sich entsprechend inhaltlich weiter entwickeln (müssen). Einige Stoßrichtungen sind dabei offensichtlich. So werden ältere Beschäftigte in fünf Jahren einen anderen Stellenwert in den Unternehmen haben als bisher.  Modelle für die Rente mit 67 müssen entwickelt und die Mitarbeiter im Sinne eines lebenslangen Lernens vorbereitet werden.

Strategische Personalplanung wird die Mutter der Personalarbeit, wie Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger es ausdrückt. Denn Verfügbarkeit und richtiger Einsatz der erfolgskritischen Kompetenzen sind künftig entscheidende Wettbewerbsfaktoren für Unternehmen. Entsprechend werden Unternehmen auch deutlich mehr in die Entwicklung von Fachkräften investieren müssen – von der Sicherung der Ausbildungsreife von Azubis bis zur Etablierung von Laufbahnmodellen für gestandene Experten. Zudem müssen sie eine umfassende Sicht auf ihre Attraktivität als Arbeitgeber entwickeln. Unternehmenskultur und Corporate Social Responsibility werden zu wichtigen Handlungsfeldern für das Engagement und die Bindung von Mitarbeitern. Die größte Veränderungslast haben aber die Führungskräfte zu bewältigen. Das heißt: Personalarbeit wird noch intensiver an der Entwicklung von Leadership arbeiten müssen – und das unter Berücksichtigung der Globalisierung und der notwendigen Diversity.

In vielen Branchen wird außerdem das Ressourcen- und (Personal-)Kostenmanagement ganz oben auf der Tagesordnung bleiben, konfrontiert mit tendenziell ansteigendem Lohnniveau und zunehmenden Mindeststandards. Personalarbeit wird insgesamt erfolgskritischer für den Unternehmenserfolg. Dies bietet die Chance, HR als strategischern Partner für das Business zu positionieren, beinhaltet aber auch die steigende Anforderung, den erwarteten Wertbeitrag in der Praxis zu erbringen.'

Prof. Dr. Jutta Rump, Geschäftsführerin des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE, Ludwigshafen: 'Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der Globalisierung und gesellschaftlicher Wandlungsprozesse wie der Veränderung von Werten unterschiedlicher Generationen wird gerade für mittelständische Unternehmen eine zentrale Herausforderung darin liegen, sich im Wettbewerb um die knapper werdenden Fachkräfte als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Dabei geht es zum einen darum, Nachwuchskräfte aus der jüngeren Generation zu gewinnen, die großen Wert auf Kommunikation, Teilhabe und Feedback legt und offen eine ausgewogene Balance zwischen beruflicher und privater Sphäre einfordert. Zum anderen gilt es, bewusst das Potenzial bislang noch nicht ausreichend berücksichtigter Arbeitnehmergruppen für den Betrieb zu erschließen – die Rede ist vor allem von Frauen, Migranten und älteren Beschäftigten. Dies erfordert eine Personalpolitik, die unterschiedlichen Bedürfnissen in verschiedenen Lebens- und Berufsphasen Rechnung trägt und Abschied vom 'Normalarbeitsverhältnis' sowie von zäsurfreien Lebensläufen nimmt. Für Betriebe jeglicher Größenordnung steht neben der Attraktivität als Arbeitgeber zudem die Frage im Blickpunkt, wie sich angesichts alternder Belegschaften die Lern- und Leistungsfähigkeit, aber auch die Motivation und Bereitschaft, sich kontinuierlich mit der eigenen Qualifikation auseinanderzusetzen, erhalten lässt. Dem schließt sich die Notwendigkeit an, sich gerade als Personalmanager immer wieder bewusst zu machen, welche Kompetenzen es heute und in Zukunft bei den Beschäftigten zu fordern und zu fördern gilt, um den Unternehmenserfolg unter sich permanent wandelnden Bedingungen sicherzustellen. Vorausschauende Personalarbeit besteht also darin, die Zukunft zu gestalten anstatt die Gegenwart zu verwalten.'

Imke Keicher, Managementberaterin, Zukunftsforscherin und Autorin: 'Damit der Mittelstand sich künftig maximale Handlungsoptionen im Personalmanagement sichern kann, empfehle ich ein radikales und gleichzeitig wirkungsvolles Gedankenexperiment: 'Unternehmen ohne HR'. Warum? Weil es hilft, klar zu definieren, wo der Wertschöpfungsbeitrag von HR liegt. Die nächste Runde im Kampf um Märkte, Margen und Marktanteile ist nämlich längst eingeläutet. Nachdem Unternehmen ihre Hausaufgaben in puncto Effizienz, Kostenkontrolle und Prozessoptimierung gemacht haben, geht es nun um 'Soziale Währung', den Wert von Beziehungen zu Kunden, Partnern und Mitarbeitern. Schlüsselfragen: Wer kann begeistern und echte, lebendige Beziehungen aufbauen? Wer nutzt die emotionale Intelligenz des Unternehmens? Differenzierung über den 'Human Touch' – das ist die Gretchenfrage der kommenden Jahre.

Das Gedankenexperiment 'Unternehmen ohne HR' zeigt deutlich, wo die Spielräume für Personaler liegen: Entlang der HR-Wertschöpfungskette wächst das Angebot an professionellen Dienstleistungen, von der Rekrutierung über die Personaladministration und Leistungsbeurteilung bis hin zur Führungskräfte-Entwicklung und Weiterbildung. Zusätzlich formiert sich im Netz ein täglich wachsender Talentpool an Projektmitarbeitern für viele Themen und Dienstleistungen über Plattformen wie Elance oder oDesk und viele mehr, die Kontrahierung und Zusammenarbeit vereinfachen. Hier entsteht mittelfristig Professionalisierungs- und Kostendruck, vor allem angesichts steigender Erwartungen an die  knapper werdende Ressource 'Talent'.
 
Gerade im Mittelstand eröffnen diese Services die Chance, weitgehend unabhängig von der Mitarbeiterzahl professionelle HR-Dienstleistungen zu erbringen und die eigene Energie auf das zu richten, was den spürbaren Unterschied für die Wettbewerbsfähigkeit macht: Führungs-, Leistungs- und Innovationskultur, persönliche Beziehungen, Empathie und Kreativität, die Wahrnehmung als Arbeitgeber. Personaler sollten ihrem Unternehmen helfen, Profil zu zeigen, Empathiefähigkeit zu nutzen, den individuellen Mix an Werten lebendig und erlebbar zu halten und sicherzustellen, dass die eigenen Mitarbeiter zur Kultur passen (und nicht nur zu den fachlichen Anforderungen). Vernetzt geht das am besten. Unternehmensübergreifende Bündnisse, in denen Wissen, Mitarbeiter oder Ausbildungsplätze geteilt werden, werden im Mittelstand daher künftig eine zunehmend große Rolle spielen.'

Prof. Dr. Rüdiger Kabst, Professor für Personalmanagement, Mittelstand und Entrepreneurship an der Justus-Liebig-Universität Gießen: 'Für mich sind die Herausforderungen für das Personalmanagement in den kommenden Jahren klar mit dem demografischen Wandel verbunden – und hierbei insbesondere mit der Personalbeschaffung und mit der Qualifizierung und Bindung über alle Mitarbeitergruppen hinweg. In diesem Zuge gewinnen auch die Themen Employer Branding/Arbeitgeberattraktivität, Qualifizierung nicht nur von jungen Mitarbeitern, sondern auch von Älteren, Gesundheitsmanagement, Laufbahnpläne für ältere Arbeitnehmer sowie Arbeitsplatzgestaltung für ältere Arbeitnehmer deutlich an Gewicht. Zudem wird das bereits bekannte Thema familienfreundliche Personalpolitik weiterhin eine große Rolle spielen.

Der Arbeitsmarkt wird sich diametral verändern – von einem Arbeitgebermarkt, bei dem die Unternehmen die Wahl unter verschiedenen Arbeitnehmern haben, zu einem Arbeitnehmermarkt, bei dem die Bewerber sich ihren Arbeitgeber aussuchen können. Gerade für den Mittelstand ist dies eine gravierende Herausforderung, denn die mittelständischen Unternehmen sind vielen Bewerbern wenig bekannt oder haben für die Kandidaten eine eher geringe Arbeitgeberattraktivität. Öffentlichkeitswirksame PR zur Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität ist jedoch vielen Unternehmern eher suspekt. Hier muss umgedacht werden, denn der größte Unterschied zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen liegt im Ausmaß der strategischen Planung des Personalmarketings. Personaler werden sicherlich nicht über Nacht zu Markenexperten, doch sie müssen ihre Marken- und Marketingkenntnisse erhöhen. Um diesen Lernprozess zu unterstützen, ist eine  funktionsübergreifende Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit sinnvoll.

Insbesondere für den kleinen Mittelstand ist es eine große Herausforderung, aus dem eher administrativen Personalmanagement eine Funktion zu entwickeln, die den oben genannten Kriterien gerecht wird. Hier ist es vielleicht auch sinnvoll, in Kooperationsverbünden mittelständischer Unternehmen diese Herausforderungen gemeinsam anzugehen.

Prof. Dr. Wolfgang Jäger, Professor für Personal- und Unternehmensführung sowie Media Management an der Hochschule RheinMain, Wiesbaden: 'Befand sich Personalmanagement vor zwei Jahren noch auf 'schwerer See', so mehren sich jetzt die Anzeichen, wieder in etwas ruhigeres 'Fahrwasser' zu gelangen und kontinuierliche Personalarbeit gewährleisten zu können: Nicht kurzfristiges Reagieren ist in den kommenden Jahren gefragt, sondern eine wieder langfristig orientierte, vorausdenkende – also strategische – Personalarbeit.

Die strategische Personalplanung ist dabei Ausgangspunkt. Abgeleitet aus den Business-Plänen entsteht idealerweise ein Fünf-Jahres-Forecast mit Blick auf den qualitativen und quantitativen Personalbestand. Demografische Engpässe sollten darin ebenso berücksichtigt werden wie intern notwendiger Qualifizierungsbedarf. Darüber hinaus sind Strategien zu entwickeln, um in einem enger werdenden Bewerbermarkt ausreichend neue Mitarbeiter zu gewinnen. Potenzielle Mitarbeiter müssen in Zukunft z.B. vermehrt dort kontaktiert werden, wo sie sich immer häufiger aufhalten – in den sozialen Netzwerken. Und die neuen interaktiven Kontaktmöglichkeiten werden auch vor den Werkstoren nicht haltmachen: Neben der Nutzung von Social Media für die externe Personalkommunikation haben viele Unternehmen die Vorteile der kollaborativen Web-2.0-Technologien auch schon für die interne Zusammenarbeit und Kommunikation erkannt und entwickeln sich bereits zu 'Enterprises 2.0'.

Wenn wieder der Kern der Personalarbeit – also das Talentmanagement – immer wichtiger wird, heißt das auch, sich die dafür notwendigen Freiräume zu schaffen. Dies wird nur gelingen, wenn die zahlreichen Zeitfresser in den administrativen Abläufen weiter eliminiert werden. Der Ausbau von HR-Self Services und eine immer stärkere Prozessautomatisierung sollten dabei im Fokus stehen. Die Unterstützung dieser Entwicklung durch den HR-Bereich ist ebenfalls ein Schwerpunktthema für die kommenden Jahre.

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